Malen mit dem Mund

Mundstück

Foto: Mundmalerin Nachdem ich die Armschiene weglegen musste, weil der Arm nicht mehr mitmachte, habe ich etwa ein knappes Jahr 1984 bis 1985 gar nicht mehr gemalt. So lange hat es gedauert, bis ich den Schritt wagte und an dem Mundstab, den ich zum Tippen schon nutzte, einen Pinsel befestigte. Kurz darauf habe ich meine Zahnärztin gefragt, ob sie mir nicht ein besseres Pass-Stück machen kann. Sie war ganz begeistert von der Idee und hat richtige Abgüsse gemacht und einen kleinen schmalen Einsatz angefertigt. Er läuft in einem Metallhülse aus, worauf der Mundstab gesteckt werden kann. Ihr hat das richtig Spaß gemacht und sie hat kein Geld dafür verlangt.
Bild: Erstes Mundmalbild Der Stab lag dann so fest angepasst an den Zähnen, dass ich sogar sprechen konnte, wenn ich ihn im Mund hatte. Damit habe ich jahrelang geübt und gemalt, zunächst allein, aber dann auch in Aquarellkursen oder Einzelstunden: bei Wolfgang Beck und Karin Posmyck.
Erst in den 1990er Jahren wurde ich auf die „Vereinigung der mund- und fußmalenden Künstler in aller Welt“ (VDMFK) aufmerksam und habe eine Auswahl meiner Bilder dorthin geschickt. Seitdem werde ich auf sehr gute Weise von der VDMFK als Stipendiatin unterstützt.
Bild: Tusche Mund

Skizzen und Modelle

Was ich gut konnte: Abzeichnen oder Abmalen ohne Vorzeichnung. Es gelang mir bei Landschaften und Gebäuden meist gut, ein Motiv im annähernd richtigen Verhältnis zu tuschen oder zu aquarellieren.
Das war noch später im Schwetzinger Aquarellkurs bei Wolfgang Beck so: Die anderen haben erst mal mit Bleistift und viel Radiergummi losgelegt. Ich habe immer gleich mit dem Pinsel angefangen, einerseits notgedrungen, weil ich ja nicht radieren konnte, andererseits weil ich das Motiv auch meist gleich direkt einigermaßen auf das Blatt bekam. Sogar Porträts konnte ich direkt mit dem Pinsel von Fotos abmalen.
Das kann ich aber schon seit langen Jahren nicht mehr. Inzwischen ist beispielsweise mein Zittern (Intentionstremor) so groß, dass ich Details nicht mehr so malen kann, wie ich will. Außerdem hat sich offenbar etwas in meinem Gehirn verändert, so dass ich die Verhältnisse nicht mehr so erfassen und abbilden kann. Ich habe ja auch andere merkwürdige kognitive Veränderungen an mir erlebt. Beispielsweise kann ich seit längerer Zeit kaum mehr eine Wegbeschreibung liefern, weil ich mir Orte räumlich nur noch schlecht vorstellen kann. Das muss auch beim Abbilden von Räumen auf der zweidimensionalen Ebene eine Rolle spielen.
Bei Landschaften habe ich mir meist selber Skizzen mit Bleistift gemacht, vor allem unterwegs und im Urlaub. Da war der Skizzenblock immer im Auto und im Rucksack. Bild: Landschaftsskizzen Daraus habe ich dann daheim erst die Bilder gemacht, die Landschaften noch einmal erlebt anhand meiner für andere so wüst aussehenden Skizzen. Krikelkrakel nannte Peter das.
Ich brauche beim Malen fast immer Vorlagen, Fotos, Modelle, lebendige Sträuße. Lange Zeit habe ich mir zum Beispiel von Sträußen Bleistiftskizzen gemacht, die ganz wirr aussahen. Andere Leute konnten damit nichts anfangen, aber ich versuchte damit den Aufbau der Sträuße festzuhalten. Wenn ein Strauß von Wiesenblumen auf dem Schreibtisch stand, dann verkämpfte ich mich dafür, dass er stehen bleibt bis zum Schluss, bis ich fertig bin, auch wenn die meisten Blütenblätter schon abgefallen sind. Denn immer noch kann man dann die Struktur sehen.
Auch meine Landschaftsskizzen sahen ganz konfus aus und waren nur für mich lesbar. Zunächst wurden die Landschaftsskizzen im Rollstuhl auf einem Notenständer gemacht. Oft aber einfach vom Auto aus. Dazu hatte ich ein Stativ, das vor dem Sitz eingespannt werden konnte.

Lieblingsblumen: Heckenrosen

Aquarell Heckenrose Wenn die Heckenrosenzeit kam, habe ich mir immer kleine Zweigchen mit Knospen holen lassen.
Heckenrosen waren die ersten Blumen, die ich aus dem Kopf malen konnte. Bei ihnen habe ich meine Bindung an Vorlagen zum ersten Mal verloren. Immer wieder habe ich sie gemalt, viele, viele Bilder verschenkt.

Mohn

Wenn die Mohnblumenzeit, wenn der Klatschmohn kommt...
Aquarell Mohnundmargariten1 Warten bis die Knospen aufgehen, weil die gepflückten Blüten oft gleich abfallen. Wir haben gelernt wie man sie konserviert: die Stängel kurz in heißes Wasser stellen.
Das unglaubliche verschwenderische Rot bei so einer Unkraut-Blume, das Transparente, das Knitterige.
Wochenlang stehen dann immer wieder frische Mohn-Sträuße in meinem Zimmer.

Rosen

Lange Zeit bin ich zurückgeschreckt vor Rosen, die kamen mir sehr schwierig vor. Nachdem ich es gelernt hatte, habe ich eine Zeitlang aber fast dauernd Rosen gemalt, sicher Hunderte von kleinen Bildchen. In den letzten Jahren habe ich an den meisten Wochenenden Rosen gekauft beim Blumengeschäft in der Nachbarschaft. Das sind meine Wochenendbelohnungen.

Meditative Funktion des Malens

Aquarell Roserotorange Ich konnte allein sein, wenn alles hingestellt ist: das Wasserglas, die Farben und mir den Pinsel in den Mund, Dann konnte ich ganz allein sein, war mit mir zufrieden. In den ersten Jahren konnte ich stundenlang so sitzen. Die Gedanken sind spazieren gegangen. Ich vergaß mich manchmal, die Zeit spielte keine Rolle. Das ist bis heute manchmal für kurze Zeit noch so, obwohl ich keine Stunden mehr sitzen kann.
Und was danach auf dem Papier ist, das war endlich einmal mein Produkt, ob es gut war oder nicht.